10.9 Die Bestimmung der Verlustleistung



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10.9 Die Bestimmung der Verlustleistung

Für das Umschalten einer Inverterstufe ist eine bestimmte Schaltleistung erforderlich. Während die statische Verlustleistung aus den stationären Kennlinien der Transistoren leicht bestimmt werden kann, ist eine genaue Ermittlung der Schaltenergie an transiente Simulation gebunden.

Um eine Inverterstufe anzusteuern, muß über die Eingangsleitung ein gewisses Eingangssignal kommen. Dieses Eingangssignal transportiert Energie, die sich aus einem Ringintegral über die Hystereseschleife von Eingangsladung über Eingangsspannung ermitteln läßt.

 

Die Eingangsladung ist dabei als Summe der Gateladungen der beiden Transistoren definiert. Falls das Eingangssignal einen idealen Kondensator als Last ansteuern würde, wäre die Kennlinie eindeutig. Auch bei sehr langsamen Änderungen der Eingangsspannung ist die Hysterese sehr schmal. Bei dem Signal des Ringoszillators ändert sich allerdings die Eingangsspannung so schnell, daß die Gateladungen diese Änderung erst zeitverzögert nachvollziehen können; je schneller das Eingangssignal ist, umso größer ist die Fläche unter der Hysteresekurve, und umso größer die transportierte Energie.

Diese Hystereseenergie wird innerhalb einer Periode am Eingang des Inverters eingespeist und verläßt den Inverter am Ausgang wieder. Daneben besteht jedoch noch ein größerer Teil an Energie, der von der Spannungsversorgung geliefert wird. Dieser Teil bewirkt die Umschaltverluste. Man kann allerdings die beiden Anteile nur über eine ganze Periode auseinanderhalten, da die Ausgangshystereseenergie den Inverter mit einer anderen zeitlichen Verteilung verläßt als die Eingangshystereseenergie eintrifft. Eine mögliche Sichtweise wäre, die Eingangsenergie als Träger der einlangende Information zu betrachten, daß der Inverter umzuschalten ist, während beim Umschalten die Versorgung dafür verantwortlich ist, am Ausgang die entsprechende Energie zu senden.

In den Drainströmen (Bild 10.13, Mitte) ist zwischen 6.8 und 7 ns und zwischen 8.8 und 9.2 ns ein Stromfluß über beide Transistoren zu erkennen. Dieser Querstrom liefert neben dem größeren Ausgangsstrom, der die nachfolgenden Eingangskapazitäten umpolt, einen zusätzlichen Beitrag zur dynamischen Verlustleistung.

Bild 10.15 zeigt die Leistungsaufnahme der Transistoren als Summe der Produkte aus Anschlußströmen und Anschlußpotentialen. Aus diesen Leistungen läßt sich die tatsächliche Schaltenergie bestimmen, die eine Inverterstufe beim Umschalten verbraucht.

 

Die folgende Tabelle gibt die Schaltenergien in der Inverterstufe an, aufgeschlüsselt nach den beiden Schaltrichtungen und nach den beiden Transistoren der Stufen. Die Grenze zwischen den beiden Schaltvorgängen wurde willkürlich bei 7.9 ns gezogen. Die Daten der Tabelle verstehen sich als Gesamtenergieverbrauch, der eigentlich noch in die tatsächlichen Schaltenergien und einen Grundanteil von statischer Verlustleistung aufzuschlüsseln wären. Da die Periodendauer des Signals im Vergleich zur Schaltzeit relativ kurz ist, kann man die statische Verlustleistung vernachlässigen.

Die ersten Zeilen geben die während des Schaltvorgangs in die beiden Transistoren geflossene Energie an. Dabei muß man berücksichtigen, daß diese nicht vollständig im Transistor verbraucht werden, sondern ein Teil als elektrische Feldenergie, vor allem in der Gate-Kanal-Kapazität, gespeichert wird. Wie man am Beispiel des n-MOS bei steigender Ausgangsflanke sieht, kann der Transistor während eines einzelnen Schaltvorgangs diese Energie zumindest teilweise nach außen abgeben.

Anstatt die Verlustenergie aus den Anschlußströmen und -potentialen zu bestimmen, könnte man auch die im Bauelement tatsächlich in Wärme umgewandelte Energie (also den Jouleschen Energieterm ) angeben. Der Joulesche Energieterm entspricht der zu einem beliebigen Zeitpunkt im Bauelement in Wärme (vorerst in Trägertemperatur, dann durch die Energierelaxation in Gittertemperatur) umgesetzten Leistungsdichte. Das Integral dieser Leistungsdichte über die Transistorfläche unterscheidet sich von der Leistungsaufnahme, die in Bild 10.15 angegeben ist, in der zeitlichen Verteilung über die Periode der Schwingung, ergibt aber dieselbe Gesamtenergie des Schaltvorgangs.

Eine Auftrennung in Ein- und Ausschaltenergie erscheint unter diesem Gesichtspunkt willkürlich, da einem bestimmten Schaltvorgang natürlich immer der gegenläufige folgt. So macht es eigentlich nur Sinn, von der gesamten Schaltenergie zu sprechen. Anders liegt der Fall jedoch bei sehr langsamen Flanken des Eingangssignals; durch Vergleich der dabei verbrauchten Energie mit jener aus der Tabelle kann man die statische Verlustenergie, die durch diese langsamen Flanken entsteht, gesondert ermitteln. In diesem Fall ist auch der Unterschied zur Energie aus der Tabelle sicher in zusätzliche Wärme im Transistor umgesetzt worden, da der Endzustand des Transistors nach schnellen und nach langsamen Schaltflanken gleich ist.

Aus der Tabelle kann man deutlich ersehen, daß pro Schaltvorgang nur ein kleiner Energieanteil in den Eingang der Laststufe fließt, und daß fast die zehnfache Energie in der Treiberstufe verbraucht wird. Bei modernen Prozessoren wird ein nicht unerheblicher Anteil der gesamten Verlustleistung (einige 10 %) allein für die Verteilung des Takts am Prozessor verbraucht. Wenn es möglich wäre, Induktivitäten am Chip zu integrieren, könnte man die Energie aus den Lastkapazitäten zumindest teilweise zurückgewinnen und damit den Energieverbrauch der Taktleitungen, die mit dem periodischen Signal keine Information übertragen, bedeutend reduzieren.

Als Fazit läßt sich feststellen:

  1. Mit verkoppelter Simulation von Bauelementen ist es möglich, Signalverläufe in kleinen Schaltungen sehr gut zu reproduzieren. Mit diesen Signalverläufen kann entweder direkt gearbeitet werden, oder sie können als Hilfestellung bei der Kalibrierung von Kompaktmodellen für die Schaltungssimulation genutzt werden.
  2. Stärken und Schwächen eines Technologieentwurfs können festgestellt werden und zu Kompensationsmaßnahmen führen. So ist im vorliegenden Entwurf zwar der p-MOS-Transistor in seinem statischen Verhalten auf den n-MOS abgestimmt, zeigt aber doch deutliche Nachteile. Ob das durch eine Verbreiterung des p-MOS oder durch eine weitere Schwellspannungsverkleinerung verbessert werden kann, muß der Prozeßingenieur oder der für das Layout Verantwortliche beurteilen.
  3. Wesentliche Kenngrößen eines Technologieentwurfs sind durch unmittelbare Bauelementsimulation zugänglich gemacht, ohne daß vorher ein Schaltungssimulationsmodell überhaupt erstellt werden muß.
Der Technologievorschlag, der hier untersucht wurde, läßt sich zusammenfassend folgendermaßen beurteilen: Die Verlustleistung ist sehr klein (das zu erzielen war die Hauptmotivation). Sie beträgt etwa 1 % der typischen Leistungsaufnahme eines Inverters. Die Verzögerungszeit ist relativ groß, aber im Hinblick auf die Verlustleistung dennoch akzeptabel und kann durch Parallelisierung auf Systemebene wieder ausgeglichen werden. Die technische Realisierung dieser Transistoren könnte insofern Probleme bereiten, als ein Gateoxid von 2.5 nm Dicke oder ein anderer Isolator in äquivalenter Dicke notwendig ist [54]. Dennoch läßt sich ein großes Entwicklungspotential der Ultra-Low-Power-Technologie erwarten.



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Martin Stiftinger
Fri Oct 21 18:22:52 MET 1994